Der Häftlingsarzt Dr. med Henryk Fenigstein

Eine Straße in Schwäbisch Hall trägt den Namen "Dr.-Henryk-Fenigstein-Weg". Sie wurde benannt nach dem polnischen Arzt  Dr. H. Fenigstein (1913-1993). Was wissen wir über ihn?

In seinem Buch "Rüstung, Krieg und Sklaverei" schreibt Michael Sylvester Koziol, Fenigstein habe in einem Krankenhaus im Warschauer Ghetto bis zur Liquidierung des Ghettos 1943 gearbeit. Er  sei aus Warschau über verschiedene Lager nach Radom deportiert worden. Später kam er ins KZ Hessental und rettete im Lager vielen Leidensgenossen das Leben.

 

Bei der Arbeit im Warschauer Ghetto beteiligte Fenigstein sich wohl an einer geheimen Studie zur Auswirkung des Hungers und spielte bei der Rettung des Manuskripts eine wichtige Rolle. Da er wegen seines philatelistischen Wissens einem im Ghetto stationierten SS-Mann nützlich sein konnte, durfte er gelegentlich das Ghetto verlassen. So konnte er nach und nach Seiten des Manuskripts der Studie über die Auswirkungen des Hungers hinausschmuggeln.

 

1944 kam er in das KZ Hessental und war dort "Häftlingsarzt". Wir dürfen uns diese Tätigkeit aber nicht wie die eines wirklichen Arztes vorstellen, denn er verfügte nicht über notwendige Medikamente oder Verbandsmaterial. Aber er konnte Kranken einen Tag Ruhe verschaffen, sie vor dem  Arbeitseinsatz schützen und ihnen mit einfachsten Ratschlägen etwas Mut machen. 

Nach der Befreiung lebte er bis 1948 in München. Er wanderte dann nach Toronto, Kanada aus, wo er als Arzt, später als Psychiater wirkte.

 

Fenigstein hat seine Erinnerungen unter dem Titel  "The holocaust and I " niedergeschrieben.

 

Uns ist er als schillernde Person bekannt, die vielen Häftlingen sehr geholfen, andererseits sich mit dem Lagerleiter Walling wohl gut verstanden hat. In letzter Zeit gab es  leider sehr unerfreuliche Meldungen über ihn. Ihm wird jahrelanger sexueller Missbrauch einer Patientin vorgeworfen, - es ist auch die Rede davon dass er mehrere Frauen vergewaltigt habe. Im Prozess vor Gericht geht es nur um eine Krankenschwester, die er wiederholt bedroht und sexuell missbraucht habe. Erstaunlicherweise wurde er vom Gericht nicht  verurteilt. Aber eine  Behörde, die unserer "Ärztekammer" entspricht,  hat ihm die Lizenz, weiter als Psychiater zu arbeiten, entzogen.

Ein Artikel im Haller Tagblatt vom 4. August nennt ihn - sicherlich zu Recht -  "Opfer, Retter und auch Täter".